Das Ticket nach Nanchang hatte John bereits vor meiner Ankunft besorgt. Allerdings gab es ein geringfügiges Problem: Er konnte nur bis Ganzhou ein Bett buchen, danach würde ich noch einmal einen Anteil zahlen müssen, um das Ticket bis Nanchang zu verlängern. Alles kein Problem hatte ich ihm versichert, froh darüber, endlich einmal etwas selbst zahlen zu dürfen.
Simple hatte mir bereits einen Zettel geschrieben den ich im Falle irgendwelcher Missverständnisse dem Schaffner geben sollte und der meine Situation erklärte. Notfalls sollte der Schaffner John anrufen (und das mitten in der Nacht o.O).
Der Bahnhof Shenzhen versank allerdings in völligem Chaos, weil die Sommerferien gerade zuende gingen und viele Studenten und Schüler an ihre jeweiligen Unis und Schulen zurückkehren. John und Simple organisierten sich jeweils ein Platform-Ticket, welches man braucht wenn man jemanden bis zum Zug begleiten möchte. Als meine Zugnummer dann aufgerufen wurde gingen wir auf den Bahnsteig und verstauten das Gepäck im Zug, danach suchten John und Simple jeweils die Schaffner, um ihnen mein Problem schon vorher zu erklären.

Es stelle sich aber heraus, dass mein Bett ab Ganzhou bereits gebucht war, weshalb ich dort also nicht bleiben konnte. Um ungefähr 2 Uhr morgens würde ich dann meine Sachen schnappen, 11 Wagen weiter ziehen (o.O) und dort einen Sitzplatz als Abschluss buchen müssen. Nun gut, auch das wäre irgendwie zu schaffen, dann würde ich eben drei Mal laufen müssen. Also stellte ich mir das Handy auf 1:50. John schaffte es auch noch, einen Mann der ebenfalls bis Nanchang fuhr, zu überzeugen, mir mit den Koffern zu helfen. Das war mir natürlich sehr peinlich, denn auch Herr An stellte sich nun seinen Wecker auf 2:00, obwohl er eigentlich bis 6:00 hätte schlafen können.

Nach der Verabschiedung sagte mir eine Studentin im Bett über mir, dass auch sie nach Nanchang fährt und ab Ganzhou ihr Bett räumen müsste, ich sollte mir da gar keine Gedanken machen. Sie wird wieder Studentin an der Universität Nanchang, arbeitet in Shenzhen und hat einen türkischen Freund ^.^ Sehr schön, also immer ihr hinterher in ein paar Stunden. Mhm, und zwar wirklich o.O
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Blog schreiben im Zug. Auf der mittleren Liege konnte ich gerade so geduckt sitzen.
Vor meinem Wecker weckte sie mich dann und meinte, wir wären jetzt in Ganzhou. Der Schaffner stand auch schon mit seiner Taschenlampe neben meinem Bett und tauschte mein Ticket wieder um (man bekommt in China ein Papierticket, welches dann im Zug gegen eine Plastikkarte getauscht wird. Bevor man aussteigt, wird diese dann wieder zurückgetauscht. Das Papierticket braucht man später normalerweise noch um den Bahnhof zu verlassen). Also habe ich schnell meinen Kram gegriffen und sie hat meinen Rucksack genommen. Hinter mir stand auch schon Herr An bereit, der mir meinen zweiten Koffer abnahm. So ging es also durch die Waggons. Bei Wagen 9 war allerdings Schluss. Ab hier begannen die Sitzwagen, und anscheinend konnte man am Ende der Ferien ohne Platzkarte buchen. Die Leute saßen und lagen mittem im Weg und schliefen. Einen Wagen haben wir noch geschafft, mit Tragen der schweren Koffer, danach war es absolut unmöglich über sie zu steigen oder sich an ihnen vorbeizudrängeln. Der Schaffner des Wagens (es gibt mindestens Einen für jeden Wagen) teilte uns dann mit, dass er uns kein Ticket mehr verkaufen kann, wir müssten in Ganzhou aussteigen. Super. Von dort aus sind es auch nur noch 4 Stunden Zug bis Nanchang. Ich bedankte mich bei einem schweißüberströmten Herrn An für seine Hilfe, und damit stand ich - immerhin mit Begleitung - um 2h nachts am Bahnhof in Ganzhou, einer kleinen Stadt in der Provinz Jiangxi (Nanchang ist die Hauptstadt).
Wir verließen erst einmal den Bahnhof; der nächste Zug nach Nanchang fuhr um 7 Uhr, und niemand konnte garantieren dass in diesem mehr Platz gewesen wäre. Also Treppen runter, Treppen hoch und auf den Bahnhofsplatz.

Dort saßen noch einige Studenten des Jiangxi Vocational College Of Technology in einem Zelt. Keine Ahnung warum, aber jedenfalls hatten sie Wassermelonen, die sie uns sofort anboten; vermutlich sahen wir beide auch nicht besser aus als Herr An. Also setzten wir uns dazu. Jetzt stellte sich meine Begleitung als "Mirror" (sie lieben solche Namen ^.^) vor und meinte, man könnte doch eigentlich auch Bus fahren, wenn das mit dem Zug alles so unsicher ist. Kurzerhand hatte sie entschieden: Wir kaufen Wasser, nehmen ein Taxi, dann ein Hotel am Busbahnhof und morgens gehen wir da gucken was wir kriegen können. Toller Plan, und ECHT mutig O.O
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Endstation -.-
Gesagt, getan: Ein Laden mit Wasser war schnell gefunden, und ein Taxi auch. Meine Koffer passten nicht in den Kofferraum, aber egal, blieb die Klappe eben offen. Das Taxi war auch ohne uns schon mit 3 Leuten besetzt - ohne Fahrer o.O Die Fahrt verlief nicht anders als so viele Andere in Xuchang: Wenn 7 Leute reinpassen dann fahren auch 7, Ampeln werden komplett ignoriert, wer Platz braucht hupt einfach, und nicht dass das die Polizei an irgendeiner Kreuzung im Geringsten komisch gefunden hätte.
Vor einem... ääähm... "Hotel" lud der Fahrer uns aus, die restlichen 4 Leute wollten noch weiter. Ich bezahlte die 20 Yuan bis dorthin, und dann stiefelte Mirror los und organisierte ein Zimmer, welches zum Glück wesentlich besser aussah als der Flur und die Rezeption: Kein Schimmel und keine kaputten Decken ^.^
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Wo zum §%&(§ bin ich?! o.O
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Mirror und mein Gepäck vor dem Hotel.
Die restliche Nacht haben wir im Fernsehen chinesische Gameshows und eine Tang-Parodie gesehen, und Mirror konnte ihren mp3-Player an meinem Laptop aufladen. Gegen 6 ging sie dann los zum Busbahnhof und konnte sogar noch zwei Tickets nach Nanchang um 8:00 kaufen. Bis 7:00 hatten wir das Zimmer bezahlt, also gingen wir zum Busbahnhof und warteten dort.
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Der Busbahnhof, von unserem Zimmer aus.
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Nicht schön, nicht sauber...
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...aber besser als Zelt.
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Der Busbahnhof von innen.
In einen Bus einsteigen läuft genau so geordnet chaotisch ab wie das Einsteigen in einen Zug, nur dass es eben keine Platzkarten gibt. Im Bus selbst bekommt man eine Nummer für jedes "aufgegebene" Gepäckstück, und dann sucht sich jeder seinen Platz selbst. Wir fuhren in einem Doppelstock-Reisebus, oben ausgerüstet mit 3 Monitoren für Filme, Werbung und Karaoke - ja, da singen auch wirklich Leute mit ;-) Und 2 Stewardessen, die Wasserflaschen verteilen und gucken ob auf der Autobahn jeder angeschnallt ist. Und sie sagen übrigens nichts wenn nicht, sie gucken nur ^.^ Alle 15 Minuten gibt es übrigens "Werbung" für den Sicherheitsgurt ^.^ Um 14h, schlappe 8 Stunden später als geplant, kamen wir dann in Nanchang an - aber immerhin, wir kamen an :-)
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Karaoke und komische Filme, dazu eine auf "Arktis" eingestellte Klimaanlage o.O
So im Rückblick habe ich keine Ahnung was ich ohne Mirror in dieser Situation gemacht hätte. Vermutlich auf den nächsten Zug gewartet, aber so war es natürlich viel besser. Außerdem habe ich jetzt auch mal eine echte chinesische Busfahrt erlebt.
Das klingt jetzt alles relativ einfach, aber man muss sich das mit rudimentärem Chinesisch und meinem ganzen Gepäck vorstellen, dann sieht die Situation doch schon anders aus. Nichts gegen die Erfahrung, im Gegenteil. Aber ein Koffer weniger hätte es dabei auch getan o.O Vielleicht auch ein Laptop weniger? Neeeee ^.^
Hanna
8/24/2011 06:33:54 pm

Nach dieser Reise bist Du top gestählt für den "Iron Man auf Hawai", wobei der Wettkampftag dort schon nach 17 Stunden vorbei ist - Du warst scheinbar viel länger unterwegs...! Alle Achtung vor Deiner Kondition! Ich wünsche Dir, dass Du Dich nun in N. gut ausruhen kannst, bevor die nächsten Überraschungen kommen...

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Krischmaster
8/24/2011 06:37:21 pm

Oh man... kaum ein paar Tage im Land reißt der Herr gleich eine chinesische Studentin auf und verbringt eine Halbnacht mit ihr im Hotel :-D. Spaß beiseite... da hattest du echt Glück, aber Glück gehört eben dazu ;-).

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